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Mrz 24

„Wir sind nicht zu viele – Wir sind nur zu blöd!“ Vortrag von Prof. Braungart 2014, Dillenburg

Im Vortrag „Cradle to Cradle – von Produkten, die der Umwelt nützen“ erläutert Prof. Michael Braungart seine Idee einer in geschlossenen Kreisläufen stattfindenden Produktionsweise – eben von der Wiege zur Wiege. Dahinter versteckt sich nicht weniger als ein Paradigmenwechsel: Die Befreiung vom ewigen Schuldgefühl der Menschheit im Sinne der Nachhaltigkeitsdiskussion, hin zu „intelligenter Verschwendung“, denn auch die Natur kennt keine Abfälle – nur Nährstoffe!

Am 12.03.2014 präsentiert der Chemiker und Verfahrenstechniker den anwesenden Unternehmern in der IHK Lahn Dill seine Denkansätze.

Er zeigt auf, warum unsere aktuelle Definition von Umweltschutz durch Sparen, Verzichten und Vermeiden diesen Namen nicht verdient. Es leuchtet ein, dass unser ständiger Versuch, weniger schädlich zu sein nicht ausreicht, denn dann verläuft die Zerstörung nur langsamer und damit gründlicher. „Wenn Sie etwas falsch machen, dann machen Sie es bitte nicht perfekt, sonst machen Sie es perfekt falsch. Wir sollten uns nicht fragen: Wie machen wir das richtig, sondern: Was ist das Richtige?“ konstatiert Braungart. Es geht hier gerade nicht darum die Ökoeffizienz immer weiter zu steigern, sondern um Ökoeffektivität.

Sein Ansatz ist es , alle Gegenstände von Anfang an so zu produzieren, dass sie nützlich für Mensch und Planet sind. Nicht weniger schädlich. Dass das geht, zeigen bereits über 1000 Produkte, die nach dem C2C-Prinzip hergestellt werden: luftreinigende Farben und Beton; Teppichböden, die Feinstäube binden; kompostierbare Stoffe für Einrichtungsgegenstände, Kleidung und Schuhe usw.

Bei „Cradle to Cradle“ handelt es sich um Wertschöpfungskreisläufe, nicht um Wertschöpfungsketten an deren Ende die Müllverbrennung steht (Cradle to Grave). Das funktioniert, indem alle Verbrauchsgüter in biologischen und alle Gebrauchsgüter in technischen Kreisläufen zirkulieren. Hierdurch werden gleich zwei globale Probleme gelöst: Ressourcenknappheit und Umweltverschmutzung.

Nach Braungart haben wir nur ein Überbevölkerungsproblem, wenn wir weiterhin wirtschaften und produzieren, wie bisher. Er resümiert: „Wir sind nicht zu viele. Wir sind nur zu blöde!“

Mein persönlicher Kommentar

Diese neuen Denkansätze empfinde ich als sehr inspirierend. Wie schön wäre doch eine Welt ohne Müll, ohne Ressourcenverbrauch und damit ohne schlechtes Gewissen den kommenden Generationen gegenüber! Auch die gesellschaftlichen Auswirkungen wären revolutionär und sind kaum ausmalbar. Weshalb sollten Menschen noch neidisch oder gierig sein, wenn es doch alles zu Genüge gäbe?

Bezüglich der biologischen Kreisläufe von Verbrauchsgegenständen und in der Landwirtschaft bin ich voll und ganz bei Prof. Braungart. Dies ist ein Thema was mich schon lange beschäftigt, hierzu werden noch weitere Beiträge folgen.

Alle Gebrauchsartikel sollen nach Braungart in einen technischen Kreislauf zurückgeführt werden. Damit dies auch gewährleistet werden kann, soll bei Gebrauchsgegenständen wie Fenstern, Computern oder Fernsehern nur deren Nutzung verkauft werden. Nach Ablauf der vereinbarten Nutzungsdauer gehen die Produkte wieder an den Hersteller zurück. Da stellt sich doch gleich die Frage nach der Abschaffung von Eigentum. Ich sehe die Theorien bezüglich einer sogenannten Zugangsgesellschaft, in der lediglich noch der Gebrauch zu erwerben und kein Eigentum mehr möglich ist, sehr kritisch. Denn es droht meiner Ansicht nach eine vollkommene Abhängigkeit von Konzernen. Man betrachte einfach nur das Cloud-Computing und Softwareprogramme, bei denen nur noch die Lizenzen erworben werden können – Datenhoheit adé!

Im Interview, das ich im Anschluß an den Vortrag für cashkurs.com geführt habe, entgegnet Prof. Braungart, dass Menschen oft nur aus Angst vor Mangel nach Eigentum streben. Wenn es aber dank einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft keinen Mangel mehr gäbe, würde der Mensch automatisch bescheidener und weniger raffgierig, so dass Eigentum nicht mehr so wichtig und der Besitz völlig ausreichend wäre.

Ja, das klingt doch wirklich mal nach einer schönen neuen Welt. Einer Welt mit qualitativem Wachstum. Leider ist unser Geldsystem aber auf exponentielles Wachstum ausgelegt und solange die Machtstrukturen auf diesem Planeten in der aktuellen Form bestehen, bezweifle ich eine Abkehr davon. Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Die Ideen von Prof. Braungart geben mir jedenfalls eine Menge „food for thoughts“…

3 Kommentare

  1. Ootis

    Zum persönlichen Kommentar: unser Geldsystem ist nicht alles und sicher nicht ewig. Die Kiste mit der Schuld-Konzeption ist elende Unterdrückungsmacherei, also, für bewußte Menschen wäre das einfach nur Nonsens. Noch sind wir nicht so weit, dass wir die perfiden Strukturen, zu denen unser Geld gehört, durchschauen.
    Prof. Braungart sagt Dinge, die ich ganz einfach auch nur so sehen kann. Natur und alle gesunden Strukturen sind ein Kreislaufsystem, in dem alles verwendet ist. Nie hätte das System Natur auf der Erde überhaupt anders existieren können. Nur der arme schwache Mensch sieht nicht, was er vor Augen hat, er läßt sich sagen, was er sehen soll.

    „Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.“ Wie eigentlich? Es gibt falsch und es gibt gut. Wo gibt es Besseres? Im Recicle-System der Natur gibt es keine Rangordnung, da ist alles in Ordnung. Nur in unserem Denksystem gibt es Schuld und schlecht und falsch und besser.
    Würden wir uns doch nicht so bereitwillig von Manipulierern beeinflussen lassen haben, uns ausgeliefert haben, wären wir nicht wir – jetzt ;-). Würden wir doch aktiv noch mal selber neu lernen und uns selbst überzeugen, ohne abgegriffene Worte, dann bekommen wir Boden unter die Füße.

    Das Ding ist, wir werden erst dann von Anfang an für Mensch und Planet nützlich zu produzieren, wenn wir selbst den großen Irrsinn hinter uns gelassen haben und richtigen Bezug zu uns selbst haben, zu Planet und auch Universum. Dann haben wir die Angst da, wo sie hingehört und brauchen den ganzen Ablenkungskram nicht, nur, was wir wirklich brauchen – was immer das dann ist. Wir produzieren so, wie unsere innere Einstellung ist. Die müssen wir zuerst ändern, sonst rutschen wir immer wieder in schwachsinnige Handlungen.

  2. Julia

    Danke für diesen Beitrag. Ich gebe Ihnen hier an einigen Stellen recht. Allerdings scheint ein Missverständnis vorzuliegen: “Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.” bezog sich auf meine Zweifel bezüglich einer Änderung unseres Geldsystems durch die hiervon Begünstigten. Und: Sprechen eigentlich „bewußte Menschen“ anderen ihre Gedanken in der Form ab, diese als nonsens, also als Unsinn zu bezeichnen?

  3. Holle

    Das ist die rechte Sprache, die Pr. Braungart spricht. Er gemahnt unserer Denkgewohnheiten, die jeder Natürlichkeit enthoben sind. Daß wir dennoch LEBEN, ist wahrscheinlich nicht einmal unser eigener Verdienst.
    Doch möchte ich in Erinnerung bringen, was schon im Vorspann zu diesem Video durch`s Bild fliegt: Qui bono?
    Die irrsinnige Umweltzerstörung (und jeder von uns, der sich dem nicht verweigert, ist Miterhalter eines perfiden Systems) bis zum Ende gedacht, bedeutet doch den Tot – auch dessen, der das so betreibt. Qui bono!!!
    Oder ist da ein Ausweg, Schlupfloch denkbar für denjenigen, der das so will? Ich glaube nicht! Aus Synthetisatoren können keine LEBENSmittel…

    Danke, daß dieser Vortag veröffentlicht wurde

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